China und die Palästinafrage
- asia arab monitoring
- 16. Okt.
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Zu Anfang eine provokante und überspitzte Formulierung: Präsident Trump hat den Nahostkonflikt vorerst entschärft und israelische Geiseln aus dem Inferno zurückgeholt. Der Gewinner der Entwicklungen in den letzten Monaten ist ….. China – das im Rahmen der jüngsten Entwicklungen zum Gaza eigentlich so gut wir gar nicht wahrgenommen wird. Die Volksrepublik hat, auch aufgrund der Paralyse des VN-Sicherheitsrates, momentan praktisch keinen echten Einfluss auf den Nahostkonflikt; in Wort und Schrift hat sie jedoch klar arabische und pro-palästinensische Positionen eingenommen und damit deutlich Sympathien in den arabischen Staaten erzielt. Chinesische Äußerungen wie „Die Palästinenser regieren Palästina“, „Gaza ist im Besitz des palästinensischen Volkes“, „Der Konflikt ist nur friedlich, unter Beachtung des internationalen Rechts und durch Anerkennung der Zweistaatenlösung zu erzielen“1 fielen bei arabischen Kommentatoren regelmäßig auf fruchtbaren Boden und Anerkennung. Dabei erschien die Volksrepublik nicht wirklich neutral. Eine inner-palästinensische „Versöhnungskonferenz“, die Peking im Juli 2024 organisierte, umfasste vierzehn Gruppen. Neben einigen eher unbekannten Akteuren waren die Fatah, die Hamas, die PFLP und der Islamic Jihad dabei. Zur Erinnerung: Das war ein halbes Jahr nach dem Hamas-Massaker und nach Jahren der Konkurrenz zwischen dem Islamic Jihad und der Hamas, wer mehr Raketen auf Israel abschießen könne. Parallel verurteilte auch das chinesisch-arabische Kooperationsforum, das zuletzt im Mai 2024 stattfand, in seiner Abschlussdeklaration „Israel’s fortgesetzte Aggression gegen das palästinensische Volk“2.
Dabei war Pekings Haltung wahrscheinlich keineswegs moralisch derart klar, wie suggeriert. Die Sympathie für und Solidarität mit revolutionären Bewegungen ist aus der genetischen Struktur der KP nie ganz verschwunden und ist vielleicht eines der letzten Relikte sozialistischen Kampfgeistes während die Auffassungen von Karl Marx zu sozialem wirtschaftlichen Ausgleich schon vor einiger Zeit in realiter begraben und in Schulbücher verbannt wurden. Eine Anfrage in der KP-freundlichen Suchmaschine DeepSeek, deren Entwickler von der Partei hofiert wird, zu den Beziehungen Chinas zur PLO erbrachte folgende Antwort: „I am sorry, I cannot answer that question. I am an AI assistant designed to provide helpful and harmless responses“3. Auch wenn Deepseek dazu nichts sagen möchte, wurde die PLO in Peking bereits vertreten, als Israel Anfang der 1990er Jahre begann, über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu verhandeln. Nach dem von der Hamas verübten Massaker fiel China durch eine ausweichende Erklärung auf, in der alle Seiten zur Zurückhaltung aufgerufen, der Massenmord an Festivalbesuchern jedoch nicht explizit verurteilt wurde.
Warum sollte die Volksrepublik daher ein Gewinner sein? Ein Blick auf die Handelszahlen zeigt es. Nach den neuesten Zollstatistiken ist Chinas Außenhandel im September um über acht Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum gestiegen. Während innerhalb Chinas beständig das Lied von der Stärkung des Binnenmarktes gesungen wird, ist der Export weiterhin ein bedeutender Wachstumsfaktor. Der Anteil der Staaten des Mittleren Ostens an diesem wachsenden chinesischen Gesamtexport liegt konstant bei fünf bis sieben Prozent, was etwa dem Anteil der Staaten an der globalen Wirtschaftsleistung entspricht. In wohlhabendere Staaten der Region ist eine deutliche Steigerung von teilweise zwischen zwanzig bis vierzig Prozent in einzelnen Geschäftsbereichen wie Kraftfahrzeugen, Solarmodulen, Luft- und Raumfahrt aber auch Rüstungstechnologie zu verzeichnen. Und es sind genau diese Staaten, Saudi Arabien, die Vereinten Arabischen Emirate aber auch Ägypten und selbst der Oman, die sich schneller umorientieren, als es wahrscheinlich erwartet wurde. Verschiedene Faktoren dürften dabei eine Rolle spielen. China bietet mittlerweile Hochtechnologie zu konkurrenzfähigen Preisen aber auch ohne größere Exportrestriktionen an, teilweise gleich mit der Finanzierung durch chinesische Kapitalgeber.
Flankiert wird dies durch die Wahrnehmung Chinas, das sich durchaus erfolgreich als Korrektiv zu einer durch eine dominante Partei regulierte internationale Ordnung präsentiert. Peking stehe für ein neues internationales Format, das parallel zu dem jetzigen existiere und das besonders in Eliten autoritärer Gesellschaften Sympathiepunkte erzielt. Die Ereignisse der letzten Zeit haben in der Region diese Argumentation nach ersten Eindrucken weiter verstärkt.
1 Eine gute Zusammenfassung der chinesischen Äußerungen aus ägyptischer Perspektive findet sich im: الصين وقضية تهجير الفلسطينيين von Sadeq Abadin vom Al Ahram Center for Political and Strategic Studies 02 August 2025 abrufbar unter https://acpss.ahram.org.eg/Print/21354.aspx
2 https://socialistchina.org/2024/05/31/joint-statement-of-china-and-arab-states-on-the-question-of-palestine/
3 Aufruf von Deepseek am 07. Oktober 2025; in der chinesischsprachigen Version ist die Antwort etwas freundlicher und gibt an, dass DeepSeek diese Frage noch nicht untersucht habe: 对不起,我还没有学会回答这个问题。如果你有其他问题,我非常乐意为你提供帮助。
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